Vorratsdatenspeicherung: Zwischen Verbrechensbekämpfung und informationeller Selbstbestimmung
Die Vorratsdatenspeicherung ist ein kontroverses Thema im Spannungsfeld zwischen staatlicher Sicherheit, Politik und dem Schutz personenbezogener Daten. Immer wieder fordern Ermittlungsbehörden eine längere Speicherung von Telekommunikationsdaten, wie beispielsweise Identitätsdaten und IP-Adressen – die rechtliche Zulässigkeit ist aktuell aber stark eingeschränkt.
Aktuell erlaubte Speicherdauer
Nach derzeitiger Rechtslage dürfen Telekommunikationsanbieter in Deutschland bestimmte Vorratsdaten nur für wenige Tage speichern – etwa zu Abrechnungszwecken. Und zwar nur so lange, wie sie für Abrechnungszwecke erforderlich sind – in der Regel bis zu 10 Wochen, wenn es um Abrechnungsdaten geht, Standortdaten für vier Wochen (§ 176 TKG). Für reine Verkehrsdaten (also Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes anfallen), die nicht abrechnungsrelevant sind, liegt die Speicherdauer oft bei 7 Tagen oder weniger, teils sogar nur bei wenigen Stunden – abhängig vom Zweck und den jeweiligen technischen Erfordernissen (§ 176 TKG).
Was will die Politik?
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verfolgt derzeit aber vor allem ein Ziel: die Wiedereinführung einer pauschalen Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen und Portnummern über drei Monate. Er argumentiert, dadurch lasse sich das „systematische Entdeckungsrisiko“ für Schwerstkriminalität deutlich erhöhen – IP-Adressen seien „oft der einzige Ermittlungsansatz“.
Entscheidung EuGH
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung unzulässig. Die Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten darf nur ausnahmsweise erfolgen – beispielsweise bei einer ernsthaften Bedrohung der nationalen Sicherheit –, und muss dabei auf das absolut Notwendige beschränkt sein.
Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt eine strikte Zweckbindung, enge zeitliche Begrenzung und wirksame rechtsstaatliche Kontrollmechanismen. Eine pauschale Speicherpflicht zur allgemeinen Strafverfolgung verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Zusammengefasst:
- § 10 TTDSG + § 170 TKG → Speicherung zu Abrechnungszwecken, max. 6 Monate nach Rechnungsversand
- § 176 TKG → Speicherung zur Strafverfolgung, max. 10 Wochen, aber faktisch nicht anwendbar wegen EuGH-Urteilen
Nein zur 3–monatigen Vorratsdatenspeicherung
Die Vorratsdatenspeicherung darf kein pauschales Instrument zur Datensammlung sein. Stattdessen verlangt die Rechtsprechung eine gezielte, zweckgebundene und zeitlich begrenzte Speicherung. Der Schutz personenbezogener Daten ist weiterhin ein zentrales Kriterium. Es bleibt abzuwarten, wie Dobrindts Vorhaben mit den EuGH-Vorgaben in Einklang gebracht werden soll.
Veröffentlicht am 4. August 2025
Miriam Harringer, ist Medien- und Kulturmanagerin (M.A.) und Redakteurin für Datenschutz, Informationssicherheit und Künstliche Intelligenz.
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