Videoüberwachung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft  

Geschrieben von Christian Scholtz, veröffentlicht am 06.11.2020

Mit der Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Willen einzelner Bewohner ein Videoüberwachungssystem installieren darf, hatte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu befassen. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, erfahren Sie im folgenden Beitrag.  

Was ist passiert?  

Aufgrund wiederholter Einbrüche und immer häufiger auftretendem Vandalismus im Treppenhaus einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde in der Eigentümerversammlung der Beschluss für die Einrichtung eines Videoüberwachungssystems gefasst. Gegen diesen Beschluss wehrte sich ein Bewohner und klagte vor Gericht. 

Vorherige Maßnahmen blieben erfolglos 

Bereits zuvor ergriffene Maßnahmen blieben erfolglos. Trotz der Installation eines Zutritts-System mit Chipkarten und der Einrichtung einer Gegensprechanlage konnten diese Maßnahmen nicht verhindern, dass es zu weiteren Fällen von Sachbeschädigung kam.  

Die Entscheidung des Gerichts  

Die Einrichtung eines Videoüberwachungssystem stellt gem. Art. 2 DSGVO grundsätzlich eine Verarbeitung personenbezogener Daten und bedarf gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO einer Rechtsgrundlage. Hierfür kann unter bestimmten Voraussetzungen Art. 6 Abs. 1lit. f DSGVO (berechtigtes Interesse) in Betracht kommen. Unter welchen Voraussetzungen die Durchführung einer Videoüberwachung auf Grundlage dieser Erlaubnisnorm zulässig ist und ob diese auch gegen den Willen einzelner Eigentümer durchgeführt werden kann, stellte nun der EuGH in seinem Urteil klar 

Für das berechtigte Interesse gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden. Das Vorliegen eins berechtigten Interesses, die Erforderlichkeit und eine Abwägung, die zugunsten des Verantwortlichen fällt 

1. Das berechtigte Interesse  

Diese Voraussetzung ist nach vorliegendem Sachverhalt erfüllt. Das Videoüberwachungs-System verfolgt erkennbar das Ziel, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben der Miteigentümer eines Gebäudes zu schützen. Im konkreten Fall kam es bereits zu Vandalismus, Diebstählen und Einbrüchen in der Wohnungseigentümergemeinschaft.  Aber auch zum präventiven Schutz und zur Abwehr solcher Gefahren kann eine Videoüberwachung als berechtigtes Interesse gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO anerkannt werden. Es muss also nicht unbedingt bereits ähnliches passiert sein. 

2.Die Erforderlichkeit  

Mit der Voraussetzung der Erforderlichkeit ist zu prüfen, ob sich das berechtigte Interesse nicht auch mit milderen Mitteln erreichen lässt, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen. Da bereits zuvor ergriffene Maßnahmen eine weitere Beschädigung nicht erfolgreich verhindern konnten, bejahte das Gerich auch die Erforderlichkeit einer Videoüberwachung. Hierbei führte der EuGH in seiner Urteilsbegründung jedoch aus, dass diese nicht uneingeschränkt und grenzenlos durchgeführt werden kann. Vor allem die in Art. 5 DSGVO genannten Grundsätze der Datenverarbeitung sind unbedingt zu beachten. Dabei kommt es vor allem auf die Datensparsamkeit, z.B. durch Eingrenzung des Aufnahmebereichs und die Uhrzeiten der Aufnahme an. Zudem muss der Kreis der Personen, die Zugriff auf diese Aufnahmen haben auf das Notwendigste eingeschränkt werden.  

3. Interessensabwägung 

Den berechtigten Interessen des Verantwortlichen dürfen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO keine überwiegenden Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person entgegenstehen. Hierzu stellte der EuGH klar, dass es sich bei einer Videoüberwachung nicht um eine Verarbeitung sensibler Daten i.S.d. des Art. 9 DSGVO handelt. Auch die Zugriffsrechte zum Videomaterial sind entscheidend. Haben zu viele Personen Zugriff auf diese Aufnahmen, würde dies im Rahmen einer Interessensabwägung zu Lasten des Verantwortlichen fallen. Zudem sollte die Videoüberwachung nicht durch sogenannte „Dome-Kameras“ erfolgen. Aufgrund ihrer universellen Technik sind diese besonders eingriffsintensiv, da die betroffene Person nicht ohne weiteres nachvollziehen kann, wo sich die Blickrichtung der Kamera befindet. Ferner ist zu prüfen, ob die betroffenen Personen mit einer Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im konkreten Fall rechnen müssen. In Banken, an Tankstellen oder in anderen öffentlich zugänglichen Räumen ist dies beispielsweise der Fall 

Im vorliegenden Sachverhalt entschied der EuGH im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung zugunsten der Wohnungseigentümergemeinschaft und verwies dabei vor allem auf die sich bereits ereigneten Fälle von Vandalismus und die Unwirksamkeit der vorher ergriffenen Maßnahmen. Ob die Abwägung der Interessen auch dann zugunsten des Verantwortlichen ausfällt, wenn es noch nicht zu einer konkreten Sachbeschädigung gekommen ist, ließen die Richter am EuGH indes unbeantwortet.  

Handlungsempfehlung  

Für die Einrichtung einer Videoüberwachung empfehlen wir daher folgendes Vorgehen.  

  • Als Verantwortlicher müssen sie die Erforderlichkeit prüfen. Kam es bereits zu einer Sachbeschädigung oder ist der zu überwachende Bereich besonders schützenswert?  
  • Gibt es eventuell mildere Mittel z.B. (Schließanlage, Zaun, Wachpersonal) die eine Sachbeschädigung verhindern könnten?  
  • Die Videoüberwachung darf nicht zu stark in die Grundrechte der betroffenen Personen eingreifen. Das ist immer dann der Fall, wenn es sich z.B. um eine schwenkbare Kamera mit Zoomfunktion handelt und die betroffene Person den überwachten Bereich nicht ohne weiteres einschätzen kann.  
  • Begrenzen Sie den Personenkreis der Zugriff auf die Aufnahmen hat und achten Sie auf eine angemessene Speicherdauer des Videomaterials.  
  • Überwachen Sie keine sensiblen Räume wie z.B. Toiletten oder Umkleiden.  
  • Sprechen Sie uns in jedem Fall an und verwenden Sie unsere Hinweisschilder zur Videoüberwachung. Diese sind gem. Art. 13 DSGVO zwingend vorgesehen und sollten an gut sichtbaren Stellen dem Betroffenen gegenüber kommuniziert werden.  
  • Führen Sie auf jeden Fall eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO durch bevor Sie Kameras installieren. 
  • Schlussendlich sollte Sie Ihre Überlegungen und Ihre Entscheidungen zur Nachweisbarkeit dokumentieren. Hierfür stellen wir Ihnen gerne entsprechende Vorlagen zur Verfügung.  

Fazit  

Die Einrichtung eines Videoüberwachungssystems lässt sich auf Grundlage des berechtigten Interesses gem. Art. 6 Abs. lit. f DSGVO stützen. Der EuGH stellte in diesem Zusammenhang aber klar, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit immer im Einzelfall bewertet werden muss und die Durchführung einer Interessensabwägung zwingend erforderlich ist. Vor Einrichtung sollte sich der Verantwortliche daher Gedanken über die Erforderlichkeit machen und die technischen Voraussetzungen seiner Videoüberwachung prüfen 

Planen Sie eine Videoüberwachung oder haben Sie Fragen zu Ihrer bestehenden Videoüberwachung? Sprechen Sie uns gerne an – wir stehen wir Ihnen mit entsprechenden Vorlagen und unserer Expertise jederzeit zur Verfügung.