Vereinsförderung und Datenschutz
Geschrieben von Jan Steinbach, veröffentlicht am 31.01.2019Im Rahmen der staatlichen Vereinsförderung kommt es immer wieder dazu, dass Teilnehmerlisten an die staatlichen Zuwendungsgeber übermittelt werden. Ist das rechtens?
Durch das neue Recht zum Datenschutz muss auch die Praxis der Vereinsförderung durch staatliche Zuwendungen neu überdacht werden. Dabei geht es in erster Linie um personenbezogene Daten, die im Rahmen von Vereinsprojekten erhoben werden. In der Regel handelt es sich um Teilnehmerlisten, die u.a. den Namen, Vornamen, das Alter oder die Adresse der Teilnehmer festhalten. Nun werden solche Informationen nicht nur innerhalb der Vereinstätigkeit verwendet, sondern teilweise auch an staatliche Stellen, insbesondere dem Zuwendungsgeber übermittelt.
Doch was sind eigentlich Zuwendungen? Die Frage beantwortet das Gesetz in den §§ 23, 44 Abs. 1 BHO bzw. §§ 23, 44 LHO-Berlin (entsprechende Regelungen sind in allen Bundesländern normiert).
Anders als Beihilfen oder Subventionen, die vornehmlich wirtschaftliche Unternehmen unterstützen, bezieht sich die Zuwendung vor allem auf soziale oder politische Zwecke z.B. auf politische Aufklärung. Zudem sind Zuwendung stets freiwillig von der Behörde zu veranschlagen und unterliegen inhaltlich dem Ermessen des Zuwendungsgebers. Somit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Zuwendung. Der rechtliche Hintergrund ist § 44 Abs. 1 BHO bzw. § 44 LHO-Berlin, sofern der Verein seinen Sitz in Berlin hat oder Berliner Landesrechts aus einem anderen Grund anwendbar ist. Es wird hier jeweils eine Ermächtigungsgrundlage normiert, nach der unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 23 BHO eine Zuwendung durch die zuständige Behörde bewilligt werden darf. werden die Vorgaben durch verwaltungsintern erlassene Verwaltungsvorschriften. Solche können direkt vom Zuwendungsgeber oder von den entsprechenden Ministerien erlassen werden.
Inhaltlich können die Zuwendung in Projektförderungen einerseits und in institutionelle Förderungen andererseits unterschieden werden. Während letztere auf eine allgemeine Förderung des Vereins abzielt, wird die Projektförderung zweckgebunden erteilt. Dabei soll ein spezifisches Projekt (z.B. ein Workshop) gefördert werden. Da Verwaltungshandlung immer – d.h. auch die Erteilung von Zuwendungen – den Anforderungen des recht- und zweckmäßigen Verwaltungshandelns gerecht werden muss, wird vom Zuwendungsgeber ein Verwendungsnachweis (für die Rechtmäßigkeit) und eine Erfolgskontrolle (für die Zweckmäßigkeit) verlangt. Die so übermittelten Informationen ermöglichen eine Selbstkontrolle der Verwaltung und werden regelmäßig über die Weitergabe einer Kopie der Teilnehmerliste ermöglicht.
Hierbei tritt nun auch der Datenschutz in Erscheinung, sofern die Teilnehmerliste zumindest auch personenbezogene Daten enthält. Je nach konkreter Ausgestaltung in der Praxis lassen sich vor dem Hintergrund des Datenschutzes drei Interessengruppen ausmachen:
Das Interesse des Vereins an der staatlichen Förderung durch die Zuwendung sowie die Unterstützung und Anerkennung seines politischen bzw. sozialen Engagement durch den Staat.
Das Interesse der Verwaltung an der Zweckbindung und zielführenden Einsetzung ihrer finanziellen Mittel. Aber auch ein Interesse an der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns
Das Interesse der Projekt- und Workshop-Teilnehmer an einer rechtskonformen und persönlichkeitsschützenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten, sowie das Interesse an der Teilnahme solcher Projekte und Veranstaltungen.
Auf den ersten Blick erscheinen die Interessen in einen Konflikt zu münden: Schutz der persönlichen Daten einerseits und Verarbeitung solcher Daten zwecks Selbstkontrolle andererseits.
Auf den zweiten Blick – und unter Berücksichtigung der Grundsätze des Datenschutzes – wird hingegen deutlich, dass die Interessen harmonisiert werden können. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist nämlich gar nicht notwendig. Das Interesse des Zuwendungsgebers teilt sich in zwei Bereiche: das Interesse an der Rechtmäßigkeit seines Handelns einerseits und das Interesse an der Zweckmäßigkeit der Zuwendung andererseits. Für ersteres wäre ein Verwendungsnachweis ohne personenbezogene Daten z.B. durch Anonymisierung ausreichend. Ob die Zuwendung für das konkrete Projekt verwendet wurde und ob dieses Projekt irgendwie den Vorstellungen des Zuwendungsgebers entsprach ist bereits aus rein quantitativen nicht-personenbezogenen Daten zu entnehmen. Für den Nachweis der Zweckmäßigkeit im konkreten Einzelfall können ggf. auch qualitative Daten erforderlich sein. Fraglich ist jedoch, ob es sich dabei notwendigerweise um personenbezogene Daten handeln muss. Auch die Zweckmäßigkeit, also der Erfolg des Projektes wird sich in erster Linie an der bloßen Teilnehmerzahl ablesen lassen. Einen differenzierten Blick erhält man freilich, wenn konkrete Personengruppen, die an der Veranstaltung interessiert waren ausgemacht werden können. Alter und Wohnort, ggf. auch noch weitere individuelle Angaben können diesem Interesse gerecht werden. Doch auch hier ist eine Anonymisierung der Daten möglich. Name und Adresse, Daten also, über die ohne weiteres ein Personenbezug hergestellt werden kann, sind für die Bewertung der Zweckmäßigkeit der Veranstaltung nicht erforderlich.
Es sind im Wesentlichen drei Punkte, die eine Anonymisierung erforderlich machen:
Grundsatz der Datenminimierung: nach Art. 5 I lit. c) muss die Daten auf das für den Zweck der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt werden. Zweck der Datenverarbeitung im Rahmen des Zuwendungsgebers ist die Selbstkontrolle der Verwaltung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns, hier: der Zuwendung. Dies kann persönliche Daten miteinschließen, zumindest was die Zweckmäßigkeit betrifft. Nicht aber personenbezogene Daten, durch die der Zuwendungsgeber einzelne Workshop-Teilnehmer identifizieren kann.
Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verwaltungsrechtlichen Handelns: die Erhebung personenbezogener Daten – sofern eine solche überhaupt zu rechtfertigen wäre – hätte eine ganze Palette an Betroffenenrechten zur Folge, die der Zuwendungsgeber umsetzen müsste. Exemplarisch seien hier nur die Auskunfts- und Löschungsansprüche genannt, die nicht nur bearbeitet werden müssten, sondern zusätzlich ein System voraussetzen, das die Wahrnehmung der Rechte durch die Betroffenen ermöglicht. Das verursacht unnötige, nicht zu rechtfertigende Kosten, die dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach § 7 BHO bzw. Art. 114 II 1 GG widersprechen.
Die politische Meinung als besondere Kategorie: nach Art. 9 I ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, aus denen die politische Meinung oder weltanschauliche Überzeugung hervorgehen grundsätzlich verboten. Zwar gibt es viele Ausnahmen. Doch erlangen solche Daten durch die Aufnahme in Art. 9 einen besonderen Stellenwert. In der Praxis drehen sich nun viele von privaten Vereinen organsierte Workshops um politische Themen, sodass die Identifizierung der Teilnehmer oft Rückschlüsse auf deren politische Gesinnung zulässt. Solche Informationen sind insbesondere in der Hand staatlicher Akteure wie dem Zuwendungsgeber nicht unproblematisch und daher kaum zu rechtfertigen.
Die anfangs als konfligierend dargestellten Interessen sind dies nur scheinbar. In Wirklichkeit können die Interessen (fast) vollumfänglich berücksichtigt und harmonisiert werden, indem auf die Erhebung personenbezogener Daten ganz verzichtet wird. Dem Verwendungsnachweis wie auch der Erfolgskontrolle wird hinreichend Rechnung getragen, wenn das Projekt in seinen Einzelabläufen dokumentiert wird und anonymisierte Daten über die Teilnehmer erhoben werden. Spiegelbildlich wird so dem Interesse der Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns gedient. Den Teilnehmern an den Workshops bleibt ein Eingriff in allgemeines Persönlichkeitsrecht resp. in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung erspart und sie können trotzdem die Vorteile der Zuwendungspraxis genießen. Die Angabe von anonymisierten persönlichen Daten ist ihnen hingegen zuzumuten. Schließlich spart sowohl der Verein als auch der Staat administrative Kosten, die anfallen würden, wenn personenbezogene Daten verarbeitet würden.
Sollten Sie die datenschutzrechtlichen Bedenken in der Praxis der Vereinsförderung durch Zuwendungen teilen, können Sie den im Anhang beigefügten Entwurf dafür nutzen, diese gegenüber Ihrem Zuwendungsgeber zu äußern. Der Entwurf enthält die wesentlichen Argumente und ist allgemein gehalten, sodass ich Ihnen empfehlen würde, im dafür ausgewiesenen Zwischenteil Ihren konkreten Einzelfall zu schildern. Für weitere Fragen oder Anmerkungen zur datenschutzrechtlichen Dimension des Zuwendungsrechts stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Neuregelung des Datenschutzes durch die DSGVO sind uns einige Bedenken hinsichtlich der Zuwendungspraxis gekommen.
Nach Art. 2, 4 DSGVO fällt sowohl der Verwendungsnachweis als auch die Erfolgskontrolle in den Anwendungsbereich der DSGVO. Durch die Erstellung und Übermittlung der Teilnehmerliste werden personenbezogene Daten verarbeitet, welche die Implementierung eines geeigneten Datenschutzes erforderlich machen. Zwar ist eine Rechtfertigung über Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht ausgeschlossen. Doch würde die Berücksichtigung der Betroffenenrechte zu einem unverhältnismäßigen Mehraufwand sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht führen.
[Hier ggf. den konkreten Einzelfall beschreiben: welche Daten werden konkret erhoben resp. übermittelt – auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Zuwendung (Verwaltungsakt oder Vertrag) – wie genau erfolgt der Verwendungsnachweis bzw. die Erfolgskontrolle durch die Behörde etc.]
Aus diesem Grund sind wir der Ansicht, dass es aus Gründen der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO sowie aufgrund der Verarbeitung sensibler Daten im Sinnes des Art. 9 Abs. 1 DSGVO (es sind ggf. Rückschlüsse auf die politische Meinung möglich) geboten ist, die Daten nur anonymisiert zu erheben. Zudem erscheint eine Anonymisierung auch in Ihrem Interesse zu liegen, da sie als Verantwortlicher ebenfalls einen finanziellen und personellen Mehraufwand betreiben müssten, was dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verwaltungsrechtlichen Handelns widerspricht. Um Ihrem Interesse an der Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns trotzdem gerecht zu werden, sind wir gerne bereit, zusammen mit Ihnen eine Teilnehmerliste zu entwerfen, die persönliche, aber nicht personenbezogene Daten erfasst und Ihnen als Erfolgskontrolle dienen kann.
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung.
Mit freundlichen Grüßen
Sollten Sie weitere Fragen zum Datenschutz in Ihrem Verein haben – kontaktieren Sie uns! Wir freuen uns darauf von Ihnen zu hören.