Löschung bei Auskunftei scheitert vor Gericht
Geschrieben von Jan Steinbach, veröffentlicht am 10.02.2022Durch die Einführung der DSGVO und des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, hat sich der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen personenbezogene Daten verarbeitet werden können, für viele Akteure verschoben. Da es nunmehr ein grundsätzliches Verbot der Verarbeitung mit Erlaubnisvorbehalt gibt, muss jeder Akteur, der personenbezogene Daten verarbeitet genaue Rechtsnormen angeben können, die seine Verarbeitung rechtfertigen. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich dabei für Datenverarbeitungsvorgänge in Dreiecksverhältnissen, wie der vom Landgericht Gießen entschiedene Fall zeigt, bei dem eine betroffene Person sich gegen die Verarbeitung seiner Daten durch eine Auskunftei wendete.
Der Sachverhalt
Der Entscheidung der 5. Zivilkammer des LG Gießen vom 04.10.2021 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Kläger wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. InsO erteilt. Diese Information wurde von der Auskunftei verarbeitet und führte zu einer geminderten Kreditwürdigkeit des Klägers, sodass „er keinen Dispositionskredit bei seiner Hausbank erhalte und weder eine Immobilie noch ein Auto finanzieren könne oder eine normale Bestellung im Internet auf Rechnung durchführen könne.“ (alle Zitate sind solche aus dem Urteil – Aktenzeichen: 5 O 457/20).
Aus diesem Grund verlangte der Kläger nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO die Löschung seiner Daten bei der Auskunftei. Da diese dem Löschersuchen nicht nachkam, wandte er sich an das LG Gießen, um seine Löschung gerichtlich durchzusetzen. Das Gericht hielt die Klage für unbegründet und wies die Klage ab.
Die Begründung des Gerichts
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass kein Löschgrund nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO vorliege. Insbesondere sei die Verarbeitung der Daten nicht nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO rechtswidrig, da die Auskunftei ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO habe. Das Interesse von Kreditinstituten an der Feststellung der Solvenz ihrer Kundenund stehe über dem Interesse des Klägers. Zudem sei es für potenzielle Geschäftspartner des Klägers „wichtig zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr [könne] die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein.“.
Ein überwiegendes Interesse des Beklagten an dem Unterlassen der Verarbeitung liege daher nicht vor. Eine Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) DSGVO scheiterte bereits am Fehlen eines Widerspruchs durch den Beklagten. Darüber hinaus sei eine „besondere persönliche Situation des Klägers nicht ersichtlich“.
Analyse der Entscheidung
In der Entscheidung musste sich das Gericht im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung mit der grundsätzlichen Frage befassen, ob und inwieweit die Praxis der Auskunfteien mit dem geltenden Datenschutz vereinbar ist. Hierzu verweist das Landgericht auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1983, in der das öffentliche Interesse an Auskunfteien ausführlich begründet wurde. Diese – nunmehr knapp 40 Jahre alte – Begründung macht sich das Landgericht zu eigen und verweist u.a. auf die Sicherstellung eines schnellen, reibungslosen und v.a. risikofreien Kreditvergabewesens.
Die Interessen des Betroffenen hingegen, werden kaum ernst genommen. So stehe die Eintragung der Restschuldbefreiung „kreditrelevanten Verträgen nicht notwendigerweise entgegen, hinsichtlich der Zahlung auf Rechnung kommt es auch darauf an, ob und welche Auskünfte die Händler einholen.“. Außerdem hätte der Kläger konkret darlegen müssen, welche Verträge er aufgrund der Eintragung nicht abschließen konnte.
Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung ist insbesondere im Hinblick auf drei Punkte kritisch zu betrachten:
Zunächst macht sich das LG die knapp 40 Jahre alte Entscheidung des BGH vollkommen unkritisch zu eigen, ohne die – v.a. datenschutzrechtliche – Entwicklung der letzten 40 Jahre zu berücksichtigen. Das ist v.a. deshalb fragwürdig, weil zur Zeit der BGH-Entscheidung nicht einmal das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Ansatz anerkannt war (dieses wurde im Dezember desselben Jahres im Volkszählungsurteil des BVerfG erstmal erwähnt und in den Jahren danach durch Wissenschaft und Praxis als selbstständiges Recht herausgearbeitet). Seither wuchs die Bedeutung des Recht auf informationelle Selbstbestimmung stetig an, sodass die Wertungen des BGH aus dem Jahre 1983 nunmehr obsolet sind.
Ebenso wenig zieht das Gericht die Europäisierung des Datenschutzrechtes in Betracht. Es erkennt nicht, dass die Entscheidung möglicherweise von unionsrechtlicher Tragweite sein könnte, sodass der EuGH mit der Frage befasst werden müsste, um einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen für die Praxis von Auskunfteien zu schaffen. Das aber ist angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten einer Datenübermittlung in Dreiecksverhältnissen (Kreditnehmer – Kreditgeber – Auskunftei), die regelmäßig ausschließlich durch ein berechtigtes Interesse gerechtfertigt werden können, besonders wichtig. Folglich hätte sich das LG Gießen das VG Wiesbaden zum Vorbild nehmen müssen. Dieses hatte mit Beschluss vom 01.10.2021 entschieden, dass die Frage, ob bereits die automatische Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswertes über die Kreditwürdigkeit als eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DSGVO zu werten ist oder nicht, dem EuGH nach Art. 267 AEUV vorzulegen ist. Diese Frage betraf ebenfalls den datenschutzrechtlichen Rahmen, innerhalb dessen Auskunfteien personenbezogene Daten verarbeiten dürfen, der mit Einführung der DSGVO neu und europaweit einheitlich abgesteckt werden muss.
Schließlich werden die „Grundrechte und Grundfreiheiten“ des Betroffenen, entgegen dem klaren Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit f) DSGVO, nur unzureichend berücksichtigt. An keiner Stelle in der Urteilsbegründung wird ein konkretes Grundrecht benannt und in den Abwägungsprozess miteinbezogen. Zu denken wäre hier klarerweise zunächst an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Darüber hinaus zeigtLui die Datenverarbeitung aber auch ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen für den Betroffenen, die als Vertrags- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit grundrechtlich in der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG anerkannt sind. Auf dieses Tatbestandsmerkmal, das Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO verlangt, geht das Gericht nicht ein.
Fazit
Das Urteil des Gerichts ist in vielerlei Hinsicht interessant. Einmal wird die Rechtmäßigkeit der Praxis von Auskunfteien landgerichtlich bestätigt – wenn auch ohne ausreichende Begründung. Es zeigt zudem die Schwierigkeiten, die sich bei der Datenübermittlung innerhalb einer schuldrechtlichen Dreiecksbeziehung ergeben und dass hierfür allein Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO als Rechtsgrundlage in Frage kommt.
Darüber hinaus aber ist das Urteil ein bedauerliches Zeugnis für fehlendes Kontingenzbewusstsein. Eine sozial-normative Praxis – hier: die Bedeutung der Auskunfteien für den Kreditmarkt – wird fast begründungslos als Gegebenheit hingenommen, obwohl sie – nicht nur aus datenschutzrechtlicher Perspektive – problematisch ist. Anstatt die Europäisierung des Datenschutzrechts als Chance zu begreifen, eine womöglich fragwürdige Praxis hinter sich zu lassen, wird die DSGVO ohne nähere Begründung den alten Gegebenheiten angepasst.
Daher bleibt zu hoffen, dass die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von Auskunfteien mit der DSGVO durch den EuGH erneut überprüft und ausführlich begründet wird.