Jugendschutz auf Online-Plattformen

Geschrieben von Christina Webersohn, veröffentlicht am 08.04.2021

Das Internet ist aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Laut Bundesfamilienministerium haben jedoch über 40 Prozent der Kinder von 10 bis 18 Jahren im Internet bereits negative Erfahrungen gemacht; über eine Million von ihnen haben sogar etwas gesehen, das sie geängstigt hat.

Wohl auch aufgrund dieser Zahlen wurde am 5. März 2021 eine Neufassung des Jugendschutzgesetzes vom Deutschen Bundestag beschlossen, das am 1. April in Kraft getreten ist. Eine Anpassung des Jugendschutzgesetzes war auch vor dem Hintergrund der „Entschließung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten“ vom 2. Oktober 2018 notwendig geworden. Die nun beschlossenen Änderungen haben das Ziel, für den digitalen Raum den gleichen Jugendschutz wie in der analogen Welt zu schaffen. Dies umfasst nicht nur den Jugendschutz auf Online-Pattformen, das neue Gesetz soll auch zu einer besseren Orientierung führen und die Rechtsdurchsetzung gegenüber ausländischen Anbietern ermöglichen. In letzter Konsequenz können bei Nichtbefolgung Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro verhängt werden. Aber was genau wird jetzt von Betreibern von Online-Plattformen, deren Angebot sich an Kinder und Jugendliche richtet, gefordert?

Anforderungen an den Jugendschutz auf Online-Plattformen

Beim Jugendschutz im digitalen Raum setzt die Regierung, ähnlich wie bereits beim Datenschutz, jetzt zusätzlich auf strukturelle Vorsorgemaßnahmen und Voreinstellungen, die seitens des Anbieters zu treffen sind. Der Gesetzgeber gibt den Betreibern von Online-Plattformen unter § 24 klare Richtlinien an die Hand, wie diese aussehen sollen. Dieser Ansatz lässt deutliche Anleihen zu Artikel 25 DSGVO (data privacy by design and by default) erkennen.

Als Vorsorgemaßnahmen nennt der Gesetzgeber in seiner Reform des Jugendschutzgesetzes vor allem die Bereitstellung von Melde- und Abhilfeverfahren für unzulässige Angebote oder die Beeinträchtigungen der persönlichen Integrität sowie die Bereitstellung von Verfahren zur Altersverifikation und zur Steuerung des Angebots durch Erwachsene.

Durch Voreinstellungen soll künftig insbesondere sichergestellt werden, dass Nutzerprofile von Kindern und Jugendlichen weder durch Suchdienste aufgefunden werden können noch für nicht angemeldete Personen einsehbar sind; Standort- und Kontaktdaten und die Kommunikation mit anderen Nutzerinnen und Nutzern sollen nicht veröffentlicht werden und die Nutzung grundsätzlich anonym oder unter Pseudonym erfolgen.

Neben diesen Anforderungen, wird künftig auch ein höherer Anspruch an die Formulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt, deren wesentliche Bestimmungen in kindgerechter Weise zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch unterliegen die einzelnen Angebote einer strengeren Informationspflicht. Nicht nur durch die Altersbewertung selbst soll auf jugendgefährdende Inhalte hingewiesen werden; Gewaltdarstellungen, ungeschützte Kommunikation, glücksspielsimulierende oder suchtfördernde Elemente sollen nun durch erläuternde Symbole gekennzeichnet und somit klar benannt werden.

Anwendungsbereich und Fazit zu den Gesetzesänderungen zum Jugendschutz auf Online-Plattformen

Alles in allem hat der Gesetzgeber damit ein zeitgemäßes Paket geschnürt, damit der Jugendschutz mit der sich rasant wandelnden Medienlandschaft Schritt halten kann. Leider hat die Reform aus meiner Sicht einen großen Makel: Treffen sollen die Änderungen zum Jugendschutz auf Online-Plattformen nämlich vor allem die Big-Player im Bereich der sozialen Netzwerke, Streaming-Plattformen oder Messenger-Dienste. Denn neben Diensten, deren Angebot sich nur an Erwachsene richtet und journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten sind auch Angebote mit weniger als einer Million Nutzer in Deutschland von den Regelungen befreit. Wenn man betrachtet, dass es in Deutschland gerade mal 3,03 Millionen Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren gibt, wird klar, wie selten diese neuen Richtlinien wohl leider Anwendung finden werden.

Dies ist nicht nur aus Sicht des Jugendschutzes ernüchternd. Denn schafft ein Unternehmen es tatsächlich, die magische Marke von einer Million Nutzern in Deutschland zu erreichen und hatte es diese Richtlinie nicht bereits vorab im Auge, wird es die Umsetzung schlagartig vor eine große Herausforderungen stellen. Unsere Erfahrungen aus dem Bereich der Datenschutzberatung zeigen, dass es wesentlich einfacher und langfristig sehr viel kostengünstiger ist, den Datenschutz (z.B. über datenschutzfreundliche Voreinstellungen) von Anfang an in die Entwicklung einzubeziehen. Diese Erfahrung lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit, gerade aufgrund der klar umrissenen Anforderungen des neuen Gesetzes, auch auf die neuen Anforderungen an den Jugendschutz auf Online-Plattformen übertragen.