Erhebung von Infektionsdaten durch Arbeitgeber

Geschrieben von Kemal Webersohn, veröffentlicht am 20.03.2020

Die unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder erreichen vermehrt Anfragen von Arbeitgebern, ob und wie personenbezogene Daten von Mitarbeitern sowie Gästen und Besuchern, bei im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehenden Maßnahmen, verarbeitet werden können.

Allgemeine Hinweise des Beauftragten für den Datenschutz und die Informationssicherheit (BfDI)

Werden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie personenbezogene Daten erhoben, werden in den meisten Fällen Bezüge zwischen Personen und deren Gesundheitszustand hergestellt. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich um Gesundheitsdaten, die nach Artikel 9 EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) besonders geschützt sind.

Auch wenn eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten grundsätzlich nur restriktiv möglich ist, können für verschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie oder zum Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern datenschutzkonform Daten erhoben und verwendet werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der gesetzlichen Grundlage stets zu beachten.

Beispielsweise können die folgenden Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung der Corona-Pandemie als datenschutzrechtlich legitimiert betrachtet werden:

Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten (einschließlich Gesundheitsdaten) von Beschäftigten durch den Arbeitgeber oder Dienstherren, um eine Ausbreitung des Virus unter den Beschäftigten bestmöglich zu verhindern oder einzudämmen. Hierzu zählen insbesondere Informationen zu den Fällen:

  • in denen eine Infektion festgestellt wurde oder Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person bestanden hat,
  • in denen im relevanten Zeitraum ein Aufenthalt in einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuften Gebiet stattgefunden hat,
  • in denen eine Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten (einschließlich Gesundheitsdaten) von Gästen und Besuchern stattfindet, insbesondere um festzustellen, ob diese selbst infiziert sind oder im Kontakt mit einer nachweislich infizierten Person standen oder sich im relevanten Zeitraum in einem vom RKI als Risikogebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben.

Die Offenlegung personenbezogener Daten von nachweislich infizierten oder unter Infektionsverdacht stehenden Personen zur Information von Kontaktpersonen ist demgegenüber nur rechtmäßig, wenn die Kenntnis der Identität für die Vorsorgemaßnahmen der Kontaktpersonen ausnahmsweise erforderlich ist.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die vorstehenden Maßnahmen lassen sich rechtlich auf Grundlage der DSGVO und des BDSG (ggf. in Verbindung mit Landesdatenschutz- und weiteren Fachgesetzen) legitimieren. Je nach Maßnahme können die einschlägigen Rechtsgrundlagen dabei leicht variieren. Ungeachtet dessen gelten aber die folgenden allgemeinen Grundsätze:

Die Berechtigung zur Verarbeitung personenbezogener Mitarbeiterdaten ergibt sich in diesen Fällen für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber grundsätzlich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) DSGVO: die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.

Für Arbeitgeber im nicht-öffentlichen Bereich aus § 26 Abs 1 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO: Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung […] erforderlich ist.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber bzw. der Dienstherren verpflichtet diese, den Gesundheitsschutz der Gesamtheit ihrer Beschäftigten sicherzustellen. Hierzu zählt nach Ansicht der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden auch die angemessene Reaktion auf die epidemische bzw. inzwischen pandemische Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit. Dies dient insbesondere der Vorsorge und im Fall der Fälle der Nachverfolgbarkeit (also im Grunde der nachgelagerten Vorsorge gegenüber den Kontaktpersonen).

Zusätzlich zu den bestehenden Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung auf Seiten des Arbeitgebers ergeben sich aus dem Beamtenrecht, aus dem Tarifrecht bzw. dem Arbeitsrecht für Beschäftigte verschiedene Nebenpflichten, unter anderem auch Rücksichts-, Verhaltens- und Mitwirkungspflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber und Dritten. Vorliegend stellt nach Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden beispielsweise die Pflicht zur Information des Dienstherrn bzw. des Arbeitgebers über das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus eine solche Nebenpflicht zum Schutz hochrangiger Interessen Dritter dar, aus der unter gewissen Voraussetzungen auch eine Offenlegungsbefugnis gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) und f) DSGVO bezüglich personenbezogener Daten der Kontaktpersonen folgt.

Vertraulichkeit, Zweckbindung, Datenminimierung

Alle vorrangegangen genannten Maßnahmen müssen immer auch verhältnismäßig sein. Die Daten müssen gem. Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO vertraulich behandelt und dürfen gem. Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO ausschließlich zweckgebunden, also z.B. zu Zwecken der Ausbreitungseindämmung, verwendet werden. Nach Wegfall des jeweiligen Verarbeitungszwecks (regelmäßig also spätestens dem Ende der Pandemie) müssen die erhobenen Daten gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO unverzüglich gelöscht werden.