Apple’s AirTag: Peilsender für Jedermann?

Geschrieben von Christina Webersohn, veröffentlicht am 04.06.2021

Wer kennt die Situation nicht: Man will das Haus/die Wohnung verlassen – aber der Schlüssel oder das Portemonnaie ist weg. Eine große Suchaktion mit viel Aufregung beginnt. Apple möchte diese Unannehmlichkeit des Alltags abschaffen und hat hierzu Ende April 2021 kleine Peilsender auf den Markt gebracht – sie tragen den kurzen, aber prägnanten Namen „AirTag“.

Laut Apple wurde bei deren Entwicklung auch wieder besonderer Wert auf Datenschutz gelegt. Aber es mehren sich die Stimmen, die in den kleinen silbernen Scheiben eine massive Gefahr für die Privatsphäre sehen. Dies ist eine dieser kritischen Stimmen.

Wie funktionieren AirTags?

AirTags sind kleine Bluetooth-Sender, die mit einem iPhone oder iPad gekoppelt werden können. So soll etwa das eigene iPhone zur Ortung der AirTags verwendet werden, um z.B. verlorene Gegenstände wiederzufinden. Verwendet man ein Gerät, das die neue Ultrabreitband-Technologie unterstützt, erfährt man sogar, wie viele Meter in welche Richtung sich das AirTag befindet. Wenn der Besitzer also etwa seinen Schlüsselbund mit AirTag im Haus verliert, kann er sich über sein iPhone dessen Position anzeigen lassen. Entweder über eine visuelle Anzeige am iPhone oder über ein akustisches Signal, das über das iPhone am AirTag ausgelöst werden kann.

Sollte sich das AirTag nicht mehr in der unmittelbaren Nähe seines Eigentümers befinden, sendet das AirTag dank einer kleinen Knopfzelle bis zu einem Jahr lang ununterbrochen ein Signal, mit dem es seine Anwesenheit verkündet. Dieses Signal wird von allen Apple Geräten in der Nähe empfangen und über deren Verbindung mit dem Internet an den Besitzer übermittelt.

Die weitreichenden Fähigkeiten dieser Funktion können anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Der Besitzer eines AirTags koppelt diesen mit seinem iPhone und befestigt das AirTag an seinem Rucksack. Sitzt diese Person nun z.B. in einer belebten Einkaufsstraße in einem Straßencafé, kommuniziert sein AirTag mit jedem Apple Gerät, das in seine Nähe kommt. Also z.B. iPhones, MacBooks oder iPads anderer Passanten. Diese Geräte senden dem Besitzer des AirTags die Standortdaten des AirTags – da es sich nicht bewegt, sind die Standortdaten für diesen Zeitraum statisch. Bewegt sich dieses AirTag aber nun, weil etwa der Rucksack gestohlen wird, kommuniziert der darin befindliche AirTag weiter mit allen sich in der Nähe befindlichen Apple Geräten – die Standortdaten werden dabei bei jeder neuen Begegnung aktualisiert und es entstehen Bewegungsdaten. Das alles passiert von allen Beteiligten völlig unbemerkt.

AirTags und der Datenschutz

Dass AirTags ein Thema für den Datenschutz sind, ist damit offensichtlich: denn AirTags könnten demnach als Peilsender verwendet werden. Laut Apple wurde bei der Entwicklung der AirTags aber auch dieser Möglichkeit Rechnung getragen:

„Falls ein fremdes AirTag sich in deine Sachen verirrt, erkennt dein iPhone es und benachrichtigt dich. Wenn du es nach einer Weile immer noch nicht gefunden hast, spielt das AirTag einen Ton ab, damit du weißt, dass es da ist.“

Wenn sich das gekoppelte Gerät des AirTags (der Eigentümer) nicht in der Nähe befindet, erhält die Person, die sich in der Nähe eines fremden AirTags befindet, also eine PushNotification – anschließend wird beim fremden AirTag ein akustisches Signal ausgelöst. Zwei wohlgemeinte Warnhinweise also. Die PushNotification erhält die Person in unregelmäßigen Abständen. Das akustische Alarmsignal aber erst, wenn das fremde AirTag drei volle Tage nicht mehr in Reichweite des Eigentümers war. Kommt der Eigentümer zwischenzeitlich aber wieder in die Nähe des AirTags, verlängert sich der Zeitraum entsprechend. Hat sich also ein fremder AirTag in den eigenen Rucksack „verirrt“, erhält diese Person kein akustisches Alarmsignal, wenn der Eigentümer des AirTags innerhalb dieser 72 Stunden wieder eine Verbindung zum AirTag aufgebaut hat. Nach aktuellen Informationen kann dieses Intervall unbegrenzt lange unterbrochen werden, die Person also unbegrenzt lange einen fremden AirTag tragen und Bewegungsdaten an den Eigentümer senden, solange immer wieder innerhalb von 72 Stunden eine Verbindung zwischen Eigentümer und fremden AirTag aufgebaut wird.

Aber selbst dann, wenn die Person die genannten Warnhinweise erhält, gibt es keine Möglichkeit das fremde AirTag über die visuelle Anzeige am iPhone zu orten, es kann nur das akustische Alarmsignal für 15 Sekunden aktiviert werden. Es gibt aktuell auch keine Möglichkeit, seine Umgebung bei Verdacht auf das Vorhandensein von fremden AirTags zu scannen.

Die genannten Warnhinweise, ob nun PushNotification oder akustisches Signal, erhalten übrigens nur Besitzer von Apple-Geräten. Personen die Android-Geräte verwenden, werden indes überhaupt nicht über das mitreisende fremde AirTag benachrichtigt bzw. gewarnt. Sie tappen bei mitreisenden AirTags völlig im Dunkeln.

Fazit

Apple ist nicht der erste Anbieter von kleinen Bluetooth-Trackern. Bisher war dies allerdings eher ein Nischenmarkt mit Spezialanbietern. Allein die Anzahl von Apple Geräten, die mit AirTags kommunizieren, um Standortdaten zu teilen, verändert aber die Brisanz dieser Produktsparte. Die Apple Software, die die Positionsdaten der AirTags verarbeitet, ist natürlich updatefähig, in Zukunft könnte und sollte nachgebessert werden. Auch, dass Nutzer von Android-Geräten im Dunkeln gelassen werden, darf auf keinen Fall so bleiben. Denn bereits bei der Entwicklung der Corona-Warn-App haben Google und Apple bewiesen, dass die Bluetooth-Schnittstellen ihrer Geräte sehr wohl miteinander kommunizieren können.